Bodensatz beim Whisky – woher dieser kommt und wie er sich auf den Geschmack auswirkt
Unter einem guten Whisky stellt sich der Käufer ein klares Destillat mit satter, goldener Farbe vor. Was jedoch, wenn am Boden der Flasche Feststoffe – oft in kristalliner oder sandiger Form – erkennbar sind oder der Whisky plötzlich trüb erscheint? Wie entstehen Bodensatz und Trübstoffe, wie kann man sie verhindern und welchen Einfluss haben sie auf den Geschmack des Whiskys?
Entstehung von Bodensatz beim Whisky
Um zu verstehen, wie der Bodensatz im Whisky entsteht, muss man einen Blick auf die chemische Zusammensetzung des Destillats werfen. Whisky besteht aus Wasser, Alkohol und verschiedenen molekularen Substanzen. Diese Substanzen sind zum Beispiel mikroskopisch kleine Holzteilchen oder Proteine/Fettsäuren/Moleküle aus dem Getreide, das für die Herstellung des Whiskys verwendet wird. Diese Substanzen sind in der Regel nicht mit dem bloßen Auge erkennbar, können aber bei bestimmten Gegebenheiten als Schwebeteilchen und später als Bodensatz sichtbar werden.
Sichtbarkeit des Bodensatzes durch lange Lagerung
Der Alkoholgehalt (von mind. 40 %) im Whisky verhindert, dass sich die Substanzen miteinander verbinden und dadurch auch sichtbar werden. Verbinden sich hingegen die genannten Moleküle, bilden sie sichtbare Kristalle bzw. Schwebeteilchen. Diese Verbindungen entstehen zum Beispiel, wenn die Whiskyflasche lange steht.
Da Alkohol eine geringere Dichte als Wasser aufweist, schwebt er bei langer Lagerung oben, während das dichtere Wasser unten stärker konzentriert ist. Durch diese leichte Suspension, also Entmischung, ist kein gleichmäßig hoher Alkoholgehalt vorhanden, der für die Lösung maßgeblich ist. Als Folge entstehen Schwebeteilchen an den Konzentrationsgrenzen von Wasser und Alkohol. Je länger die Flasche stehen bleibt, desto mehr Teilchen sinken nach und nach zu Boden und der Bodensatz entsteht. Durch regelmäßiges Schütteln der Flasche bei Zimmertemperatur lässt sich dieser Prozess vermeiden.
Entstehung einer Trübung beim Whisky
Zimmertemperatur ist auch beim Thema Trübung ein wichtiges Stichwort. Trübstoffe entstehen aus den gleichen Molekülen, die auch für den Bodensatz sorgen. Die Verbindung der Moleküle wird jedoch nicht durch lange Lagerung ausgelöst, sondern durch geringe Temperaturen. Bei Kälte können sich die Moleküle nicht mehr im Wasser lösen. Sie ziehen sich zusammen und lassen den Whisky trüb erscheinen.
Entstehung einer Trübung während der Verkostung des Whiskys
Viele trinken Whisky auch kalt. Wenn der Whisky vor Verkostung im Eisfach lag oder Eiswürfel hinzugegeben wurden, kann auch kurzfristig solch eine Trübung entstehen. Des Weiteren ist wie bereits erwähnt der hohe Alkoholgehalt Grund dafür, dass sich die Stoffe lösen können. Sinkt er durch Zugabe von Wasser, kann auch in diesem Fall der Whisky im Glas trüb erscheinen.
Trübung bei ungeöffneten Flaschen bei zu kühler Lagerung – reversibel?
Auch bei zu kühler Lagerung einer ungeöffneten Flasche kann dieses Phänomen auftreten. Jedoch lässt sich dieser Zustand innerhalb weniger Stunden durch Wärme wieder rückgängig machen. Deshalb spricht man von einer reversiblen Trübung. Voraussetzung hierfür ist, dass der Alkoholgehalt mindestens 46 % beträgt.
Eine irreversible Trübung tritt hingegen dann ein, wenn sich Calciumoxalat bildet. Um den Alkoholgehalt des Whiskys vor der Abfüllung auf Trinkstärke zu reduzieren, wird dem Destillat Wasser hinzugegeben. Sowohl Quell- als auch Leitungswasser enthalten Calciumionen. Die nun zugeführten Ionen verbinden sich mit der grundsätzlich vorhandene Oxalsäure im Whisky und es entsteht Calciumoxalat. Es erscheint in Form von weißen Kristallen und kann beim Käufer als Trübung des Whiskys wahrgenommen werden. Um diese Verbindung zu vermeiden, setzen heute die meisten Destillerien Wasser ein, das zuvor durch einen Ionentauscher lief. Während dieses Prozesses werden die Calciumionen durch Teilchen ersetzt, die sich nicht mit der Oxalsäure verbinden.
Kaltfiltration zur Vermeidung von Trüb- und Schwebstoffen
Viele große Destillerien setzen heute auf die Kaltfiltrationsmethode. Bei der Kaltfiltration werden niedrige Temperaturen genutzt, um die potenziellen Trüb- und Schwebestoffe noch vor der Abfüllung zu filtern. Ab einer bestimmten Temperatur trennt sich der Whisky in zwei Schichten auf. Bei Blended Whiskys geschieht dies ab -4°C und bei Single Malts ab 0°C. Die obere Schicht besteht aus den molekularen Substanzen, die für eine Eintrübung bzw. den Bodensatz sorgen. Die sich oben absetzenden Schwebeteilchen werden in diesem Prozess durch einen Filter entfernt. Selbst bei Hinzugabe von Eis bleibt der Whisky klar.
Lieber „non chill filtered“?
Einige Destillerien entscheiden sich bewusst gegen die Kaltfiltration und kennzeichnen dies auf ihren Flaschen anhand einer durchgestrichenen Schneeflocke. Den Destillerien geht es dabei darum, den Whisky möglichst ursprünglich anzubieten, da die bei der Kaltfiltration entfernen Schwebstoffe ein Geschmacksträger seien. Dies ist allerdings umstritten. Bei diversen Blindverkostungen konnten in der Regel keine Unterschiede wahrgenommen werden.
Während einige Kunden Wert auf möglichst unbehandelte Whiskys legen, empfinden andere eine Trübung als mindere Qualität oder denken gar er sei schlecht. Heute versucht die Industrie vor allem aus ästhetischen Gründen die Stoffe durch Kaltfiltration zu entfernen.
Bodensatz als Hinweis auf einen besonders alten, wertvollen Whisky?
Bodensatz kommt häufig bei sehr alten Whiskys vor. Manche sind der Auffassung, dass dies eine Garantie für die Echtheit eines alten Whiskys sei. Jedoch kann dies nicht pauschal bestätigt werden, da es lediglich darauf hinweist, dass der Whisky lange gelagert wurde und vermutlich nur durch wenige Hände gegangen ist.
Doch auch bei Flaschen ohne Bodensatz und Trübung kann es sich um echte alte Raritäten handeln. Denn wird eine Flasche über Jahre hinweg regelmäßig geschüttelt oder bewegt, harmonisiert sich das Destillat und der Bodensatz kann sich nicht bilden.
Letztlich ist der Bodensatz oder die Eintrübung bei einem Whisky ein natürlicher biologischer Vorgang, der durch Kaltfiltration aber auch verhindert werden kann. Eine automatische Schlussfolgerung auf Geschmack, Qualität oder Wert lässt sich hier aber nicht schließen.